vom leder gezogen





28.02.13
in der schlange gestanden.
so etwas kann vorkommen, wenn man einen brief verschicken will und zu diesem zwecke eine briefmarke aus dem briefmarkenautomaten ziehen will, nachdem man diesen vermittels tastendrucken und münzbefütterung so bedient zu haben glaubt, dass dieser die erforderliche marke ausspucken müsste.
das entsprechende geräusch, das mich an vollzug dieser banalen tätigkeit und den vorgang fast schon abgeschlossen glauben lässt, erklang dann zwar, der automat ratterte ein kurzes weilchen vor sich hin und ich nahm das druckwerk heraus. auf der vorderseite prangte das grafisch unansprechend klare logo der beförderungsfirma in schwarz, gelb und weiß, auf der klebeseite, die ich nun hätte belecken sollen, waren zahlen zu lesen. ich wendete die marke noch zweimal, bevor ich das ausmaß des fehlers und seine folgenden konsequenzenk sprich mühen meinerseits abzuschätzen wagte.
vielleicht hätte ich das stückchen papier, dass mich abgezählte achtundfünfzig cent von einem euro gekostet hatte, einfach weggeschmissen oder als unbedeutende absonderlichkeit anderweitig verwahrt, wenn nicht einerseits der brief von einiger terminlicher bedeutung und andererseits mein kleingeldbestand nun nichtig gewesen wären.
also begab ich mich in die nächste postfiliale, um den fehldruck dort zu reklamation und umtausch vorzulegen und verbrachte etwa eine viertel stunde lang in einer leicht brodelnden schlange. die luft in postfilialen scheint so konfektioniert zu sein, dass man bei entsprechend geplanter wartezeit mit furchtbar schlechter laune am schalter antrifft. die leitung des unternehmens scheint davon auszugehen, dass ihre mitarbeiter dadurch zu noch präziserer kundendienlichkeit motiviert werden können.inmitten des gebräus finsterer mienen hatte ich ausreichend muße, den aufwand, den ich zu betreiben beschlossen hatte mit dem erwartbaren ertrag zu vergleichen. so etwas erdet allzu forsche erwartungen an den wert und die qualität von sogenannter lebenszeit enorm.
nach vielen trippelschritten am ausliegenden nachweihnachtsramsch und der todschicken dauerwerbesendungsschleife auf dem strategisch platzierten großbildschirm vorbei, war ich an der reihe, wurde mit einem schmallippingen "bitte" zugloeich begrüßt und zum vortrag meines begehrs aufgefordert. nachdem ich meine situation und den daraus folgenden wunsch zur abhilfe vermittels neuausstellung der beförderungsentgeltmarke geschildert hatte, wurde mir beschieden, dass "sie" so etwas "ja eigentlich" nicht machen müssten. ob ich denn hier nicht bei der post wäre, die doch für so etwas geradezu zuständig sei, fragte ich. nein, wurde mir beschieden, dies sei im eigentlichen sinne nur noch eine postbank. die übrigen dienst tue man hier nur aus reinem service am kunden, eigentlich müsse ich eine echte postfiliale aufsuchen. da sie es aber könnten, wollten sie nicht auf das eigentlich rechte protokoll bestehen und mir abhilfe schaffen. ich war so verdutzt, dass ich mich sogar für die mir zugestandene großzügigkeit bedankte.
eigentlich ist das management des unternehmens zu beglückwünschen, diesen fortschritt an leistungsfähigkeit nach jahrzehntlelanger staatsmonopolstellung in den freien markt hinein gerettet zu haben.

12.04.10
im theater gewesen.
nach szenischer lesung als mitwirkender zur podiumsdiskussion gebeten worden. so etwas kann vorkommen, wenn man sich bitten lässt und auch noch zusagt, in einem laboratorium unuraufgeführter theaterstücke lesend und spielend mitzuwirken und danach nicht schnell genug vom acker kommt.
jedenfalls moderierte diese diskussionsveranstaltung ein JOHN DOE, der sich uns relativ überraschten kollegen und dem publikum als ko-kurator jenes laboratoriummprogrammes vorstellte. überrascht waren wir vor allem, weil wir ja wussten, dass er das stück nicht gelesen, dafür aber einiges auch nicht getan hatte, eine anständige probe zu ermöglichen.
naja. sein anzug saß jedenfalls, sein hemd war gebügelt und seine art zu fragen erzeugte im publikum ein wegducken wie in schulstunden, in denen man besser nicht auffällt, also keine antworten. drei fragen und keine meldung später erbarmte ich mich unvorsichtigerweise, einen scherz zu machen und dem publikum auch eine frage zu stellen. tatsächlich holte sogar jemand luft, aber der anzug beantwortete diese frage lieber gleich selbst, indem er mich darauf hinwies, diese frage sei dem anlass unangemessen. da aber trotzdem tatsächlich jemand lust hatte, doch noch etwas dazu zu sagen, wurde umgehend der autor dafür abgekanzelt, keinen stift mit sich zu führen, obwohl er, wie der ko-kurator-der-das-stück-nicht-gelesen-hatte zu verkünden wusste, ständig dinge zu vergessen pflegte. als ich mich erdreistete, in die stille hinein eine weitere frage zu stellen, sprang dem anzug, von dem jeder hoffte, er möge augenblicklich verschwinden, dessen begleiter bei und wusste zu konstatieren, dass die art und weise der darbietung ihn an schauspielklassen unbegabter amateure erinnert hatte, was die bügelfalte, die niemand gebeten hatte dort zu sein, ausgesprochen freute. sein konzept mündete (nach einem hinweis an den autor, dieser könne, wenn er denn immer noch glaube schreiben zu müssen, unterricht bei ihm nehmen) in einer ganz herzlichen einladung, in zwei wochen die vorstellung einer neuen romantischen komödie über hochschulprofessoren in einer lesbischen dreiecksbeziehung zu besuchen. wenn es uns also gefallen habe, mögen wir bitte wiederkommen.
da JOHN so freundlich war, seine selbstgefällige darstellung so leicht durchschaubar zu gestalten und seine krankheit zu erkennen, aus angst vor kontrollverlust aggressiv und ignorant sämtliches leben um ihn herum dominieren zu müssen, wurde in den vielen guten gesprächen hinterher der hoffnungsfrohe wunsch geäußert, er würde erstens wieder aus der stadt verschwinden um irgendwo anders mit den anderen kranken verhinderern in machtapparaten seine verbildeten spiele zu spielen und zweitens würde er dort dann einen guten doktor finden, der seine gallensteine behandelt.
drittens könnten wir dann endlich friedlich, entspannt, mündig und würdig miteinander im theater arbeiten, ohne ständig mit lästigen eingriffen des männlichen mittelalters umgehen zu müssen.

14.03.10
im theater gewesen.
beim rumstehen nach der premiere ein gespräch belauscht. so etwas passiert, wenn man kein eigenes führt. ist auch manchmal schwierig, wenn einem kein lob über die lippen kommen will, dass eine lüge wär' oder ein gemeinplatz. jedenfalls hat da eine kollegin zum autoren gesagt: „Es war mir eine Ehre, deinen Text sprechen zu dürfen.“
aha. das ist wohl kritische würdigung: nach eingehender beschäftigung mit form, klang und inhalt des gesagten, bleibt nur noch der untertänige dank, sprachrohr gewesen sein zu dürfen. war aber auch toll, wie dort in lyrik verbrämt wurde, was dialog hätte sein wollen. wahrscheinlich nur, um hinterher nicht weiter darüber sprechen zu müssen. so ein assoziationsspielraum ist auch viel interessanter als allzu konkret verständliches. die hermeneutik ist hermetisch. und wenn keiner weiß, worum es geht, kann man ja weitermachen, wie bisher. wie praktisch. wenn keiner weiß, was das soll, hat man wenigstens mal wieder ein bierchen miteinander trinken können, dann bleibt der eigene senf ungefährdet, den geschmack zu verderben. bedeutung ist überbewertet. immerhin die ehre ist gerettet, wenn man mal wieder umsonst gearbeitet hat, nein, verzeihung, gratis. umsonst wärs, wenn das theater niemanden mehr interessierte.



selbstverständlich ist das alles völlig frei erfunden. und jede ähnlichkeit mit lebenden personen ist absolut zufällig und entspringt der phantasie des lesers.